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In vielen Unternehmen ist es Usus geworden, Agenturleistungen als austauschbare Vorprodukte zu behandeln und vor allem über den Preis einzukaufen. Diese Praxis hat dem Marketing schwer geschadet. Das Marketing muss Marken und Produkte differenzieren, und dazu braucht es in der Regel Agenturen, die radikal und strategisch sind, aber gerade nicht austauschbar.

Der Preis der Agenturleistungen ist dabei für beide Seiten höchst relevant, sollte aber ein Indikator für den Mehrwert sein, den Agenturen für das Marketing schaffen. Das überkommene Geschäftsmodell, das auf der Abrechnung von Tagessätzen basiert, steht dem im Weg. Hier sind  die tatsächlich geleisteten Aufwände, stundengenau transparent gemacht, völlig unabhängig von der realisierten Wertschöpfung.

Für die Agentur entsteht ein Anreiz, die abrechenbaren Aufwände zu erhöhen, während die Kunden stets bemüht sind, die Tagessätze zu drücken. Beide Anreize wirken aber in die falsche Richtung. Für beide Seiten sollte das Ergebnis – der kreative Impact, der geschaffene Mehrwert – im Mittelpunkt stehen. Und dazu braucht das Ergebnis, das Produkt der Agentur, das einen Mehrwert für den Kunden darstellt, einen Preis.

Jedes Produkt hat einen Preis, der sich wenigstens grob am Wert für den Kunden und dessen Zahlungsbereitschaft bemisst. Auch der Produktpreis ist Verhandlungssache, aber über den Aufwand bestimmt allein der Hersteller. Produkte sind standardisiert, was sie ebenfalls vergleichbar macht.

Hier ist nun aber der Aufwand kein Vergleichsmaßstab mehr, sondern vielmehr das Agenturprodukt selbst ein Indikator für den Mehrwert. Das Agenturprodukt ist mehr als Werbung – es ist ein Mittel zum Zweck der Wertschöpfung und des Wachstums für Unternehmen. Doch wie gelangt eine Agentur von der alten Welt der Tagessätze zur neuen Produktwelt?

In seinem 2023 veröffentlichten Buch „Madison Avenue Makeover“ beschreibt Michael Farmer diesen Transformationsprozess am Beispiel der internationalen Digitalagentur Huge. Mat Baxter, der zwei Jahre zuvor CEO geworden war und die Agentur mittlerweile wieder verlassen hat, hatte Huge von einem Dienstleistungs- auf ein Produktmodell umgestellt, um dem Problem schwindender Margen zu begegnen. Nach der Lektüre des Buches haben wir bei KNSK als erste im deutschen Markt diesen Vorstoß gewagt und sind den gleichen Weg gegangen.

Eine Revolution für Agenturen

Die Agentur Huge und das Buch von Michael Farmer dienten auch als Blaupause für die Schweizer Agentur Wirz, wie deren Co-CEO Livio Dainese in Folge #124 erläutert. Doch damit waren zwar ein Vorbild und ein Ziel bestimmt, der Weg dorthin allerdings blieb offen. Dafür engagierte Wirz, wie zuvor auch Huge, die Londoner Beratung The Business Model Company (TBMC).

TBMC hat ein Vorgehensmodell für diese Transformation, die eher einer Revolution gleicht. Dabei macht die ganze Arbeit letztlich der Kunde selbst, hier also die Agentur. Es ist ein entsprechend aufwendiger Prozess, der mit einer Analyse des vorhandenen Angebots beginnt. Bei Wirz, einer Agentur mit etwas mehr als 100 Leuten, bestand das Angebot aus über 300 verschiedenen Themen, vom Strategic Brand Check bis hin zur Filmkampagne.

Aus diesem Sammelsurium entsteht alles, nur keine Sicherheit für den Kunden. Je nachdem, welche Strategin oder welcher Berater ein Projekt leitet, ist der Prozess mehr oder weniger ein anderer. Statt etablierten Vorgehensweisen zu folgen, wird das Rad immer wieder neu erfunden. Das gilt wahrscheinlich für viele Agenturen, aber es bringt uns nicht voran und ist mit Blick auf die Kunden auch eine vertane Chance.

Kunden suchen Sicherheit, indem sie Stunden kaufen. Doch das ist die falsche Form von Sicherheit, denn eigentlich geht es um das Resultat, nicht um einen Stundenzettel. Und so hat Wirz zunächst das eigene Angebot sortiert und überlegt, welches Angebot sie ihren Kunden künftig machen wollen – eine Frage der Strategie.

Bis jetzt funktionieren Agenturen aus Sicht des Kunden wie eine Black Box, in die sie ein Briefing einwerfen und dann nach drei Wochen wie aus einer Zauberkugel eine erste Näherung erhalten. Von diesem Modell hat sich Wirz zugunsten von strukturierten und definierten Vorgehensmodellen verabschiedet.

Der Weg ist keine Zufall

In einer Produktwelt sind die Prozesse anhand der jeweiligen Problemstellung des Kunden definiert und in Phasen und Module unterteilt. Das schafft großen Freiraum für die eigentliche, strategische und kreative Arbeit. Für den Kunden ist es fassbar und planbar, es gibt klare Zeitpläne und Deliverables zu einem definierten Preis. Für die Agentur bleibt das Risiko höherer Aufwände als zuvor kalkuliert.

Dieses Vorgehen lehnt sich an das Expertenwissen von Unternehmensberatungen über Modelle und Prozesse an und vermittelt so Sicherheit. Das Ergebnis ist weiterhin offen und individuell, aber der Weg dahin ist kein Zufall. Das Vorgehen trägt zur Professionalisierung von Agenturen bei. Es beschränkt nicht die Kreativität, wenn wir nicht ewig lang über den Prozess nachdenken müssen.

Den Talenten gibt es größere Sicherheit und Souveränität, auch in der Kundenberatung, wenn das Know-how in Produkten gebündelt abgerufen werden kann. Es begegnet auch dem Problem der Kommodifizierung von Agenturleistungen, weil sich die Produkte von Agentur zu Agentur je nach Fokus stärker unterscheiden.

Das System schafft letztlich mehr Freiraum für Kreativität, für Magie, weil es durch bessere Strukturen Friktion eliminiert. Die Agentur ist besser organisiert, ohne das kreative Chaos abzuschaffen: mehr Zeit für Magie, und im Kern Wert statt Aufwand. Die Kunden wollen Wert kaufen, nicht Stunden.

Es vermittelt auch nach innen ein Bewusstsein dafür, dass wir viel größere Probleme für unsere Kunden lösen können, als einfach nur einen schönen Film zu produzieren oder den nächsten Award zu gewinnen. Und schließlich ist es in anderen Dienstleistungsbranchen gang und gäbe, das Angebot zu produktifizieren. Unsere Branche hat sich zu lange dagegen gewehrt und mit dem Schild der Kreativität alle standardisierten Templates und Vorgehensweisen abgewehrt. Das kreative Chaos hat lange den Prozess regiert.

Kreativität ist unsere Superkraft

Dennoch bleiben zwei große Unterschiede zu den Consultancies. Kern unserer Prozesse und Leistungen ist Kreativität, die Superkraft der Agenturen. Und was wir bauen, hat den Markttest schon implementiert. Denn unser wahrer Kunde ist der Endkunde und nicht der Kunde, der unsere Rechnungen bezahlt.

Das Agenturangebot zu produktifizieren ist eine riesige Denkarbeit und kostet viel Zeit, um Prozesse und Deliverables einfach zu halten und wirtschaftlich anbieten zu können. Unabhängige Agenturen sind hier im Vorteil, weil sie selbst das Schiff drehen und frei entscheiden können.

Das Buch von Michael Farmer ist schnell gelesen, der Grundgedanke leuchtet sofort ein. Die große Arbeit steckt darin, Produkte zu schaffen, die einen Effekt haben für den Kunden, die Wert schaffen statt Aufwand. Dieser Prozess ist nicht abgeschlossen, sondern wird kontinuierlich fortgeschrieben, auch anhand der Kundennachfrage.

Eines allerdings ist es nicht – mutig. Vielmehr ist es mutig, trotz konstant sinkender oder stagnierender Zahlen weiterhin damit zu hadern, dass Handlungsbedarf besteht. Halbherzige Ansätze wie die Rückbesinnung auf Kreativität oder etwas mehr Effizienz reichen nicht aus. Die konsequente Umstellung auf Produkte kann da ein Befreiungsschlag sein.

Agenturen werden gekauft, Agenturen werden geschlossen, Agenturen werden zusammengewürfelt, aber Agenturen werden nicht transformiert. Wir arbeiten immer noch so wie in den 80er Jahren. Wir haben stets ein Ohr am Zeitgeist, aber strukturell hat sich seit 40 Jahren nichts geändert. Wir können mit Kreativität Probleme lösen und Effekte schaffen, aber wir verkaufen Stunden für Reinzeichnung.

Kreativität kann Unternehmen erfolgreich machen, und einige der größten Unternehmen der Welt sind marketinggetrieben. Der Bedarf an Kreativität ist heute groß, und den können Agenturen besser decken als Consultancies.

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