Der Fachkräftemangel hat in der öffentlichen Debatte zuletzt an Aufmerksamkeit eingebüßt. Die Arbeitslosenquote ist nach Jahren der wirtschaftlichen Stagnation inzwischen leicht gestiegen. Dennoch liegt die Zahl der Erwerbstätigen nach wie vor in der Nähe ihres Allzeithochs. Die jungen Jahrgänge, die derzeit ins Erwerbsleben eintreten, sind nur gut halb so stark wie der geburtenstärkste Jahrgang 1964. Für zwei Babyboomer, die in den nächsten zehn Jahren in den Ruhestand gehen, kommt also nur ein Vertreter der Generation Z auf den Arbeitsmarkt.

Agenturen haben eine relativ junge Altersstruktur. Fast die Hälfte der Belegschaften ist maximal 34 Jahre alt, 80 Prozent sind jünger als 45. Wir konkurrieren also auf dem Arbeitsmarkt überproportional um eine kleinere Gruppe von Nachwuchskräften. Umso erstaunlicher, dass die Anstrengungen der Branche eher unterdurchschnittlich sind. Es gibt keine agentur- oder branchenübergreifende Awareness-Kampagne, und auch die Präsenz an Schulen und Hochschulen lässt zu wünschen übrig.

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Im Ergebnis stolpern die meisten Einsteiger eher zufällig ins Agenturleben. Im GWA Young Board sagen das sogar alle sechs Mitglieder von sich. In Folge #126 habe ich mit Geena Schindler und Maylin Vural gesprochen, die 2024 neu ins Board gekommen sind. Geena spricht eher von Kräftemangel, da längst nicht nur Fachkräfte fehlen. Die Branche kommt nicht umhin, gemeinsam für sich zu werben, um mehr Leute zu gewinnen.

Und wir hätten das schon lange tun müssen. Die finanziellen Mittel dafür sind vorhanden, wenn sich die Branchenverbände wie GWA, ADC und BVDW zusammentun. Es darf nicht an unseren Egos und der Frage scheitern, wer dann die Kampagne entwickelt. Das beste Konzept sollte gewinnen. Da wäre das Geld wirklich gut angelegt. Wir brauchen eine Branchenkampagne, nicht irgendwo massiv plakatiert, sondern plattformnativ in der Sprache und Modernität, mit denen wir die jungen Menschen auch erreichen.

Zivilisierte Arbeitszeiten

 

Stattdessen kursiert weiterhin ein veraltetes Narrativ von schlecht bezahlter Arbeit, davon aber viel, und Agenturen als reiner Werkbank. Dabei haben sich die Arbeitszeiten heute stark zivilisiert, auch wenn wir uns als Dienstleistungsbranche nach wie vor der Geschwindigkeit anpassen müssen. Der Vorteil liegt darin, dass wir dadurch auch Vorreiter bei Themen wie künstlicher Intelligenz und neuen Plattformen wie TikTok sein können.

In Agenturen steckt so viel und so breites Fachwissen, von dem Einsteiger lernen können. Durch die enge Zusammenarbeit in den Teams entstehen Freundschaften, die dann auch außerhalb der Agentur gelebt werden. Das Tätigkeitsspektrum und die Arbeitszeitmodelle sind mittlerweile so breit aufgestellt, dass die Branche nicht mehr nur für die klassischen Kreativen attraktiv ist, die sich auch noch nach Feierabend und am Wochenende mit der Arbeit beschäftigen möchten.

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Indes zeigt das Interesse der Branche am Nachwuchs schon die Tatsache, dass es das GWA Young Board überhaupt gibt. Der Einstieg und die Möglichkeit, schnell Verantwortung zu übernehmen, lohnen sich für junge Menschen. Damit sie auch davon erfahren, müssen wir in den Schulen und Hochschulen, wenn Berufe vorgestellt werden, auch unsere Berufsgruppen präsentieren. Das geschieht heute zu wenig.

Nach wie vor besteht, zumindest in der Wahrnehmung, ein Gehaltsgefälle zwischen Agenturen und Unternehmen. Dafür entschädigt jedoch die Möglichkeit, für viele verschiedene Kunden zu arbeiten und von vielen unterschiedlichen Leuten und Gewerken zu lernen, was gerade am Anfang der Karriere sehr spannend ist. Dennoch muss das Gehalt stimmen und konkurrenzfähig sein, um gut davon leben zu können.

Diversität ist attraktiv

 

Vorbei sind die Zeiten, in denen Top-Agenturen ihren Praktikanten statt einer Vergütung nur ihren guten Namen im Lebenslauf bieten mussten. Heute ist es eher die starke Diversität in Agenturen, die sie für Berufseinsteiger attraktiv macht. Kaum eine Branche bringt so viele Denkrichtungen, soziale Backgrounds, unterschiedliche Kulturen und Quereinsteiger zusammen. Daraus entsteht eine besondere Kultur, eine Leidenschaft aller am kreativen Prozess Beteiligten.

Dennoch besteht auch in Sachen Diversität noch Nachholbedarf, nicht nur bei der Altersstruktur. Frauen sind in Agenturen zwar stark vertreten, doch in den obersten Führungsetagen dominieren immer noch Männer. Auch unterschiedliche Nationalitäten sind unterrepräsentiert. Hier gibt es zum Teil Sprachbarrieren, weil die Agentursprache häufig Deutsch ist und der Umstieg auf Englisch auf Schwierigkeiten stößt.

Aus Sicht der jungen Generation hat der Arbeitskräftemangel für ein stärkeres Bewusstsein des eigenen Wertes gesorgt. Die veränderte Ausgangssituation auf dem Arbeitsmarkt fördert eine faire Bezahlung und bringt Themen wie Teilzeit, Work-Life-Balance, Überstunden und Burnout stärker in die Öffentlichkeit. Hier zeigt sich die Machtverschiebung zugunsten der knapp gewordenen Arbeitskräfte.

Die fordern nun auch eine bessere Führungskultur ein. Wenn das Feedback nur alle zwölf Monate beim Jahresgespräch kommt, reicht ihnen das nicht. Diese Generation ist es gewohnt, direkt Resonanz zu bekommen. Sie legt Wert auf Wertschätzung, wenn etwas gut war, und auf stärkenorientierte Führung: Statt Schwächen zu betrachten und diese zu beheben, geht es ihnen eher darum, Stärken auszubauen – und dann womöglich auch andere Aufgaben zu übernehmen, die besser dazu passen.

Perspektivwechsel

 

Das bedingt auch einen Perspektivwechsel von Seiten der Agenturen, die weniger versuchen sollten, sich die Leute den Positionen entsprechend hinzubiegen. Wo Arbeitskräfte knapp sind, wird es wichtiger, sie ihren Stärken entsprechend einzusetzen. Dies ist im Übrigen auch der einzige Weg zur Exzellenz. Denn wer vorrangig Schwächen behebt, wird wahrscheinlich niemals so gut sein wie jemand, der dort Stärken hat und diese weiter ausbaut.

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Ähnliches gilt für Führungskräfte. Der Schritt zur Führungskraft sollte kein Zufall oder Unfall sein, der sich über die Zeit durch Aufstieg wie von selbst ergibt – ohne zu fragen, ob das überhaupt gewollt ist und ob sie in die Rolle hineinpassen. Auch hier sollte das Ziel sein, Menschen zur Führungskraft zu befähigen, die hier ihre Stärken haben. In der Führung geht es darum, Menschen zu begeistern und ein Umfeld zu schaffen, in dem sie die bestmögliche Arbeit leisten können. Fachliche Exzellenz ist dafür nicht unbedingt der beste Indikator.

Komplementär zum Anspruch auf gute Führung steht der Wunsch nach Freiraum und Selbstverantwortung. Hier liegt der Schlüssel oft bei Kommunikation und Transparenz. Sind die Verantwortungsbereiche von Anfang an geklärt, bleibt wenig Raum für Missverständnisse und viel Raum für selbstverantwortliches Arbeiten. Dennoch braucht es zwischendurch immer mal wieder ein Sparring, um zu sehen, wo es noch Raum für Verbesserungen gibt.

Und schließlich können Agenturen auch ihre kreative Kraft für das Gute und für die großen gesellschaftlichen Themen einsetzen. Junge Leute wünschen sich, dass Unternehmen Haltung zeigen. Das gilt auch für Agenturen. Es hilft der Gesellschaft, und es macht zugleich Agenturen attraktiv.

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Kontakt

Noah Charaoui

Recruiter
talents@knsk.de