In vielen Agenturen führt die Beratung heute ein Schattendasein. Ein wichtiger Teil dessen, was früher Beratung war, ist inzwischen in die Strategie abgewandert. Von außen knabbern Unternehmensberater am Kuchen. Und im Innern bleiben vor allem Projektmanager und Etat-Direktoren übrig, die aber inhaltlich nicht mehr viel zu sagen haben. Daniel Adolph, früher Agenturgeschäftsführer, heute freier Berater und mein Gast in Folge #104, nennt die Beratung daher „die verlorene Säule der Werbung“.

In seiner Zeit bei Jung von Matt sah er den Aufstieg der Strategie kritisch, weil dadurch das strategische Denken aus der Beratung abfloss. „Zu viel Strategen macht die Beratung dumm“, lautet einer seiner Glaubenssätze. Alles was Denken erfordert, wird dann nämlich in die Strategie geschoben. Die Leute, die denken wollen, verlassen die Beratung. Und am Ende bleiben nur noch die übrig, die schieben.

Lorem ipsum dolor sit amet, adipiscing elit.

So leidet das Berufsbild, auch in größeren Agenturen. Es geht verloren, was frei nach Jean-Remy von Matt den Berater ausmacht: Berater darf nur heißen, wer Rat hat. Wie viele Berater haben noch Rat? Da ist viel verloren gegangen, im Selbstverständnis und auch in der Leistung. Hier sieht Daniel vieles, was man verbessern kann. Insbesondere in kleineren Agenturen, weil dort das Projektmanagement noch mehr im Vordergrund steht – und weniger eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den Themen.

Als inhaltlich getriebenem Menschen fällt Daniel ein ähnlich gelagertes Problem in vielen Pitches auf. Erstaunlich oft setzen sich Agenturen seiner Beobachtung nach nur wenig mit dem auseinander, was von ihnen gewünscht ist. Dabei steht das normalerweise schon in der Einladung und müsste nur beantwortet werden. Stattdessen ziehen Agenturen ihr gewohntes Spiel durch – und scheitern oftmals schon an den Basics.

Beziehungsmanagement als Schlüsselthema

 

Im Agenturgeschäft spielt die menschliche Komponente immer noch und wohl auch weiterhin eine große Rolle. Das Beziehungsmanagement zwischen Kunde und Agentur ist also eines der Schlüsselthemen. In einem Pitch geht es neben den inhaltlichen Fragen auch immer darum, ob der Kunde den Agenturmenschen zutraut, sein Problem zu lösen – und ob er auch Lust hat, es mit ihnen zu lösen. Stimmt die Chemie?, so lautet die sprichwörtliche Frage.

Um eine Antwort zu finden, gibt es Chemistry-Präsentationen. Doch allzu oft begegnet Daniel in den Credentials nur Austauschbares. Awards interessieren Kunden allenfalls, wenn es sich um den Effie handelt. Denn dabei geht es um Impact. Ansonsten ist es die Präsenz im Markt, die entscheidet – und die Frage, was eine Agentur zur Lösung beizutragen hat. Nicht die berühmte Goldidee, die für das Freibad um die Ecke realisiert wurde.

Noch einen weiteren Sea of Sameness hat er beim Thema Datenkompetenz ausgemacht. Auch hier gleichen sich die gezeigten Folien, ebenso wie die Erwähnung von „The Long and the Short of It“ – einer inzwischen auch schon mehr als zehn Jahre alten Studie. Agenturen sprechen über die Arbeit mit Daten, die einer Agentur in der Realität gar nicht zur Verfügung stehen, zum Beispiel Salesdaten.

Einen Ausweg aus der Austauschbarkeit sieht Daniel in einem klaren Bezug zur Aufgabenstellung und zum Kunden. Ein gezeigter Case sollte immer mit dem konkreten Problem des Kunden korrespondieren. Eine Agentur wird dann interessant, wenn der Kunde merkt, dass sie sich mit seiner spezifischen Situation auseinandergesetzt hat.

Nutzloser Grüßaugust

 

In einer Pitch-Präsentation sollten die zentralen Ansprechpartner des Kunden dezidierte Rollen haben. Denn das sind die Leute, auf die der Kunde achtet und mit denen er sich eine künftige Zusammenarbeit vorstellen können muss – oder auch nicht. Die Rolle von Geschäftsführern hingegen kann heikel sein. Sind sie nur der Grüßaugust im Pitch, dann sind sie nutzlos. Wenn aber im anderen Extrem nur sie reden, wird es langweilig, und das Team findet nicht statt.

Hier sind wir wieder bei der Beratung, bei der Rolle und der Funktion von Beratern. Was haben sie inhaltlich beizutragen, was über Projektmanagement hinausgeht? Nichts gegen Projektmanagement – das ist für jede Agentur essentiell und überlebenswichtig. Kunden brauchen indes auch Berater, mit denen sie inhaltlich diskutieren und von denen sie Rat einholen können. Dieses Feld sollten Agenturen nicht Dritten überlassen, und Berater nicht den Strategen.

Letztlich lösen wir als Agenturen die Probleme unserer Kunden. Till Diestel, Chief Creative Officer bei Serviceplan, hat so in diesem Podcast seine Aufgabe beschrieben: Er redet nicht darüber, dass er Werbung macht, sondern dass er Probleme von Kunden löst. Das ist es, worum es geht. Probleme zu lösen hat einen Wert und am Ende auch einen Preis. Mit kleinen, lustigen Ideen hingegen werden Agenturen kaum noch Geld verdienen. Es ist in Teilen ein Problem der Sprache, aber auch des Mindsets. Es führt dazu, dass Agenturen sich unter Wert verkaufen und zur Commodity verkommen.

Viele Kreative sind zu sehr ideenverliebt, was auch dazu verführt, mehr zu liefern, als bestellt wurde. Auch Daniel beklagt die völlige Entfremdung von Wettbewerben, die fast nur irrelevante Ideen mit Awards dekorieren. Die beste kreative Idee hat nur dann einen Wert, wenn sie ein Kundenproblem löst. An dieser Stelle haben die Kunden seiner Beobachtung nach inzwischen vollkommen den Überblick über den Agenturmarkt verloren. Ihnen ist nicht klar, wer ihre Probleme lösen kann. Das sind nicht immer die großen Namen.

Viel Sand im Getriebe

 

Auch der zwanghafte Versuch von Kundenseite, aus der Agentur noch das Letzte herauszupressen, macht es nicht besser. Ohne einen für alle Beteiligten wirtschaftlich gesunden Weg wird es nicht gehen. In dem Moment, wo der Kunde sich freut, dass er die Agentur um 20 Prozent im Preis gedrückt hat, muss klar sein, dass das Team, was soeben noch präsentiert wurde, sich verändert. Andernfalls hätte die Agentur ein Profitabilitätsproblem.

Daniel spricht von einer 3:30-Regel: Die Kunden kämpfen verbissen um 3 Prozent Skonto, aber eine bessere Führung und Behandlung der Agentur würde 30 Prozent mehr Leistung bringen. Mit klarem Feedback, Vertrauen, positivem Spirit, Angstfreiheit, Transparenz, Klarheit und Zielvereinbarungen lässt sich aus jeder Agentur und den positiv verrückten Menschen, die dort arbeiten, sehr viel mehr herausholen, als auf der Kostenseite jemals gespart werden kann.

Lorem ipsum dolor sit amet, adipiscing elit.

Konsequent ist dann auch der Abschied von den gewohnten Bezahlmodellen. Bei steigenden Kosten kann die Arbeitsstunde nicht billiger werden. Auch die Diskussion darüber wirft unnötigerweise sehr viel Sand ins Getriebe der Kunde-Agentur-Beziehung. Hier neue Modelle zu finden, die den Wert der Leistung honorieren, ist ein zentrales Handlungsfeld für Agenturen und die gesamte Branche.

Auf der Unternehmensseite wünscht Daniel sich mehr Mut und auch die Kompetenz, die Wirkung von Kommunikationsmaßnahmen beurteilen zu können. Sonst bleibt es meist beim sicheren Weg, und damit bei Austauschbarkeit. Um das zu vermeiden, braucht es auch mehr Mut bei den Agenturen – verbunden mit dem Filter: Würde ich es machen, wenn es mein Unternehmen wäre?

Hier gibt es noch mehr:

Kontakt

Noah Charaoui

Recruiter
talents@knsk.de